Samstag, 26. November 2011

Wie viel Bullshit steckt in einer Volksabstimmung?

Liebe Politiker (und Redenschreiber), liebe Juristen, liebe Texter von Morgenmagazin-Moderationen, Beipackzetteln und Infoflyern,

Sie wollten schon immer mal einen richtig guten Text verfassen, so vollkommen ohne heiße Luft und lauwarmes Blabla? Hilfe naht! Nein, sie ist schon da: im Netz. Schreiben müssen Sie zwar immer noch selbst. Aber auf die Beurteilung brauchen Sie nicht mehr warten bis die Zuhörer einschlafen, um- oder abschalten oder gleich ganz den Raum verlassen. Denn das Feedback kommt schon vorher von blablameter.de, dem Online-Messgerät für die Bullshitdichte in Texten. Einfach Text kopieren, einfügen und den Schreibstil messen. Die Skala reicht von null wie „nichts zu meckern“ bis eins wie „einfach nicht auszuhalten“. Bei Letzterem landet man unter anderem mit zu vielen Substantiven im Text (oder besser: aufgrund einer übermäßigen Verwendung des Nominalstils). Solche Satzkonstruktionen sowie ausgelutschte Phrasen hört man oft von – genau – Politikern, Morgenmagazin-Moderatoren... (siehe oben im Text). Auf die Spitze treiben es aber immer noch die Juristen (viele von ihnen findet man ja in Gestalt von Politikern, was sicher kein Zufall ist). Hier ein aktuelles, politisch-juristisches Beispiel:*

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, am 27. November 2011 haben Sie die Möglichkeit, darüber abzustimmen, ob die Landesregierung verpflichtet werden soll, Kündigungsrechte beim Finanzierungsvertrag zu „Stuttgart 21“ wahrzunehmen. Mir ist es ein persönliches Anliegen, Sie dabei zu unterstützen, sich dazu eine eigene Meinung zu bilden. (...) Die Abstimmungsfrage lautet: Stimmen Sie der Gesetzesvorlage Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 zu?**

Der Bullshit-Index für diesen Textabschnitt liegt laut Blablameter bei 0,59. Die Begründung: „Ihr Text signalisiert deutlich: Sie wollen etwas verkaufen oder jemanden tief beeindrucken. Es wirkt unwahrscheinlich, dass damit auch eine klare Aussage verbunden ist - und wenn ja: wer soll das verstehen?“ Dem ist meiner Meinung nach nichts hinzuzufügen.




* Bullshit-Index für den gesamten ersten Teil des Textes: 0,13
** Quelle: Infoflyer "Information der Landesregierung Baden-Württemberg zur Volksabstimmung am 27. November 2011

Sonntag, 13. November 2011

Mutatoes

Es gibt Situationen, da muss man sich selbst eingestehen: Ich bin auch nicht besser. Zum Beispiel in der Obst- und Gemüseabteilung. Minutenlang scannt man jeden Apfel und jede Banane auf der Suche nach einer noch so winzigen Anomalie. Die kleinste Unebenheit wird zum Ausschlusskriterium. In die Tüte kommt nur, was aussieht wie einer Hochglanzbroschüre entnommen: glatt, gleichmäßig, gesund. Aber ist die perfekt genormte Gurke mit einer maximalen Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimeter wirklich bekömmlicher? Wohl kaum. Klar, der Krüppel-Kürbis sieht irgendwie krank aus, ist aber wahrscheinlich gesünder als jede Gen-Gurke. Doch eine Gesellschaft, die im Überfluss lebt, kann es sich natürlich leisten, Andersartiges auszusortieren. Allenfalls unter dem Blickwinkel der Kunst wird das "Hässliche" geduldet. Und so setzt der Fotograf Uli Westphal die "letzten Überlebenden biologischer Vielfalt" mit seinen Bildern in Szene: